BioForm – Biologisierung umformtechnisch hergestellter Paraffinaktoren

Ein in der Pflanzenwelt verbreitetes Wirkprinzip ist die nastische Bewegung. Hier führt die Änderung des Innendrucks in den sogenannten Stomata-Zellen zu einer Bewegung von Blättern. Ziel des Projekts ist die Übertragung dieses Wirkprinzips auf eine technische Verwendung. Hierzu wird der Werkstoff Paraffin genutzt. Dieser bietet aufgrund der besonders hohen Volumendehnung beim Phasenwechsel die Möglichkeit, hohe Wirkenergien zu realisieren. Ziel des Projektes ist es, einen entsprechenden Aktor für eine technische Nutzung auszulegen. Hierzu wird auf Basis bestehender Erkenntnisse im Bereich der paraffinbasierten Dehnstoffaktoren am Institut ein neues Aktorkonzept entwickelt. Dieses beinhaltet die Konzeption, eine numerische Auslegung und Optimierung sowie die anschließende technische Umsetzung. Hierfür wird ein Abdichtungskonzept, Werkzeuge für die technische Umsetzung sowie ein Biegewerkzeug für Erzeugung der Endgeometrie entwickelt und realisiert.

Projektverantwortliche: Thiemo Germann M. Sc. | Simon Biffar M. Sc.
Laufzeit: Juli 2022 – Dezember 2023
Förderlinie: BMWK

Motivation

In der Pflanzenwelt findet sich ein besonderer Mechanismus zum Erzielen von Stellbewegungen. Die Stomata auf der Blattunterseite regulieren dabei mithilfe der Einstellung des Innendrucks den Flüssigkeitshaushalt der Pflanze. Eine technische Übertragung dieser sogenannten nastische Bewegung verspricht vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Als technisches Wirkmedium ist hier Paraffinwachs besonders geeignet. Es besitzt die herausragende Eigenschaft eines ausgeprägten Volumenanstiegs beim Übergang von der festen in die flüssige Phase. Gleichzeitig ist Paraffin in beiden Aggregatzuständen inkompressibel. Die Kombination aus beiden Eigenschaften wird ausgenutzt, um leistungsfähige Aktoren herzustellen, die einen Wärmeeintrag in eine Stellbewegung umsetzen.

Ziel des Vorhabens ist es, die gerichteten pflanzlichen Bewegungen auf Basis der Anpassung des Innendrucks im Rahmen eines Paraffinaktors umzusetzen. Hierfür werden konkret die sichelförmigen Zellen der Stomata als Vorlage für die Gehäuseform und Wirkungsweise eines solchen Aktors verwendet. Der so entstehende Aktor wird durch einen kombinierten Gesenkbiege- und Rundknetprozess hergestellt. Er setzt, ebenso wie die Stomazellen eine Stellgröße von außen in eine durch die Form des Aktors begünstigte Bewegung um. Im Rahmen des Projekts soll somit gezeigt werden, dass die Übertragung biologischer Funktionsprinzipien auf Paraffinaktoren möglich und sinnvoll ist.

[1] Konzeptidee des Aktors: Durch die gezielte Wärmezfuhr Q ̇ (1) resultiert ein Druckanstieg p innerhalb des Aktors (2), welcher eine Stellbewegung impliziert (3)
[1] Konzeptidee des Aktors: Durch die gezielte Wärmezfuhr Q ̇ (1) resultiert ein Druckanstieg p innerhalb des Aktors (2), welcher eine Stellbewegung impliziert (3)
[2] Mögliche Herstellungsrouten basierend auf einem Vierkantprofil mit anschließendem Biegen (1), Ausformen der Aktorenden (2) und Befüllen sowie Fügen der Verschlusselemente (3)
[2] Mögliche Herstellungsrouten basierend auf einem Vierkantprofil mit anschließendem Biegen (1), Ausformen der Aktorenden (2) und Befüllen sowie Fügen der Verschlusselemente (3)

Lösungsweg

Um das Ziel des Vorhabens zu erreichen, sollen zunächst durch numerische Untersuchungen die Prinzipien der Stomatabewegung studiert, Gestaltungsrichtlinien erarbeitet und darauf aufbauend die optimalen Geometrieparameter des Aktors für dessen konkrete Gestaltung ausgelegt werden. Hierbei ist insbesondere auch zu untersuchen, inwiefern Materialauswahl sowie Eigenspannungen aus dem Umformprozess die spätere Wirkweise des Aktors beeinflussen. Im zweiten Schritt soll basierend auf dem so erzeugten Wissen ein Demonstrator gefertigt werden. Hierfür ist ein geeignetes, variables Biege- sowie Rundknetwerkzeug für die anschließende Aktorfertigung zu konstruieren und fertigen. Im dritten Schritt folgt die Verifikation und Validierung des Aktorkonzepts. Dies beinhaltet insbesondere die Charakterisierung des Bewegungsverhaltens des Aktors und den Vergleich mit dem aufgrund der numerisch gewonnenen Erkenntnisse erwarteten Aktorverhalten.

Für den ersten Schritt, wird zunächst ein parametrisches numerisches Modell aufgebaut. Hierzu wird im Rahmen einer ersten Konzeption evaluiert, welche Leistungen der Aktor für mögliche Anwendungsfälle aufweisen muss. Zudem gilt es fertigungstechnische Beschränkungen zu beachten, die Umsetzung soll mit gängigen Anlagen erfolgen können. Auf Basis dieser Informationen wird eine Ausgangsgeometrie definiert, die numerisch abgebildet wird. Für diese Geometrie werden sowohl der Gesenkbiegeprozess wie auch der Lastzyklus aufgebaut und parametrisiert. Die Darstellung des Biegeprozesses ist erforderlich, um entstehenden Eigenspannungen im abschließenden Lastzyklus berücksichtgen zu können. Für das abschießende Modell werden charakteristiche Kenngrößen wie bspw. die Materialstärke, Querschnittsgöße oder der Biegeradius des Aktors systematisch variiert und eine optimale Geometrie festgelegt.

Diese definierte Geometrie stellt die Grundlage des zweiten Arbeitspakets der Umsetzung anhand eines Demonstrators dar. Ein erster Schwerpunkt stellt die Abdichtung der Aktoren dar, diese soll umformtechnisch per Rundkneten erfolgen. Hierzu wird ein form- und kraftschlüssiges Abdichtungskonzept entwickelt, welches den wirkenden Innendrücken im Betrieb von über 100 bar standhält. Erforderliche Werkzeuge für die technische Umsetzung an der institutseigenen Rundknetanlage werden ebenfalls in dieser Phase hergestellt und in Betrieb genommen. Mit der erfolgreichen Abdichtung ist der nachfolgende Schritt die Umformung in die Endgeometrie. Hierfür ist zunächst ein entsprechendes Werkzeug zu entwickeln, welches in eine bestehende Presse am Institut integriert wird. Das Werkzeug muss sowohl eine sichere Umformung wie auch eine hohe Flexibilität gegenüber geometrischen Variationen sichern.

Erfolgreich gefertigte Prototypen gehen in das dritte Arbeitspaket des Projekts über. Hier erfolgt eine Charakterisierung der entstandenen gekrümmten Dehnstoffaktoren. Kenngrößen sind an dieser Stelle sowohl die erreichbaren Stellkräfte wie auch Stellbewegungen. Der Aufbau eines entsprechenden Prüfstands für die Beurteilung der Kennwerte ist Kernbestandteil des Aufgabenpakets. Mit den Ergebnissen der Charakterisierung erfolgt ebenfalls eine Rückführung in das numerische Modell, um dieses zum einen zu validieren, aber auch für die Sicherung einer nochmals verbesserten Abbildungsgenauigkeit. Die Beurteilung des Arbeitsvermögens schließt das dritte Arbeitspaket ab.

Danksagung

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm Biologisierung der Technik gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.

Gefördert durch

Projektpartner