Heutige Forschergenerationen widmen sich dem Leitthema eines effizienten sowie nachhaltigen Einsatzes zur Verfügung stehenden Ressourcen. Zentrale Fragestellung der Abteilung Funktions-und Verbundbauweise sind daher die Erzeugung und die umformtechnischen Grundlagen von Funktionswerkstoffen sowie dem Fügen durch Umformung. Diesen vielschichtigen Fragestellungen widmet sich das PtU auf allen Abstraktionsebenen. Die Forschungsaktivitäten decken dabei das breite Feld zwischen Grundlagenuntersuchungen von Verbundentstehung und umformtechnischen Besonderheiten funktionaler Werkstoffe bis hin zur Erzeugung komplexer Baugruppen mit integrierter Sensorik und Aktorik ab.

Materialien und Bauteile für Medizintechnik und Mobilität

Im Kontext der Elektromobilität gewinnt das Thema Leichtbau weiter an Bedeutung. Um diesem Trend gerecht zu werden, müssen sowohl die verwendeten Materialien und Bauteile als auch die zum Einsatz kommenden Herstellungsprozesse weiterentwickelt und neue Lösungsansätze kreiert werden. Eine innovative Technologie zur Beherrschung dieser Herausforderungen ist die am PtU entwickelte Stegblechumformung. Hierbei wird in einer neuartigen Prozesskette ein ebenes Blech mittels Laserschweißen mit versteifenden Stegen versehen und anschließend in die gewünschte Geometrie umgeformt, was enorme Potentiale zur Steifigkeitssteigerung im Karosseriebau bietet. Aktuelle Forschungsvorhaben arbeiten an der Nutzbarmachung der Stegblechbauweise zur Anpassung der Produkteigenschaften analog zu Tailored Blanks. Hierbei soll die gegebene Flexibilität in der Gestaltung von Prozess und Produkt dazu genutzt werden, maßgeschneidert Produktparameter wie beispielsweise ein bestimmtes Crash- oder Schwingungsverhalten einzustellen.

Zur Erschließung von Leichtbaupotenzialen, die sich aus dem Einsatz von Werkstoffen mit optimierten mechanischen, thermischen und chemischen Eigenschaften ergeben, sind geeignete Fügetechnologien unabdingbar, die es erlauben, Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften in Einklang zu bringen, ohne die Performanz der Gesamtstruktur durch die Fügestelle zu beeinflussen. Hierfür können Kollisionsschweißverfahren eingesetzt werden, mit denen hochfeste stoffschlüssige Verbindungen unterschiedlicher Metalllegierungen erzeugt werden können. Gegenstand aktueller Forschung ist es hierbei, Prozesse und Verbindungen robust auszulegen, um einer breiteren industriellen Anwendung, z. B. in automobilen Tragstrukturen, den Weg zu bereiten.

Ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Klimawandel sind leistungsstarke Permanentmagnete. Diese werden benötigt, um die Energieeffizienz elektrischer Antriebe zu erhöhen und gleichzeitig den Einsatz von seltenen Erden bei voranschreitender Elektrifizierung zu minimieren. Am PtU wird aktuell an Verfahren geforscht, die es ermöglichen, Materialien mit herausragenden permanentmagnetischen Eigenschaften umformtechnisch herzustellen. Durch starke plastische Deformationen mit hohen Scheranteilen kann ultrafeinkörniges Gefüge erzeugt werden, welches sich bei geeigneter Legierungszusammensetzung eignet, um Permanentmagnete bei reduziertem Einsatz seltener Erden zu herzustellen.

Ein vergleichbarer Ansatz zur Erzeugung nanostrukturierter Gefüge wird ebenfalls bei der Herstellung von ultrafeinkörnigen Titanlegierung verfolgt. Diese weisen nicht nur herausragende Eigenschaften bezüglich ihres mechanischen Verhaltens auf, sondern erlauben durch die gleichzeitig verbesserten biologischen Eigenschaften einen Einsatz in der Medizintechnik. Konkret ist es möglich, durch den Einsatz neuartiger Prozessrouten Materialien für Implantate und Osteosyntheseprodukte bereitzustellen, die im Vergleich zu bisher verwendeten Werkstoffen beispielsweise ein verbessertes Knochenzellenwachstum oder eine Reduktion der Bakterienbesiedelung bewirken.

Herstellung von Aktoren und E-Motorkomponenten

Neben den grundlegenden Mechanismen, die zu einem Stoffschluss oder mechanischen Verbund führen, widmet sich die Abteilung zudem der Erzeugung von Strukturen mit integrierten sensorischen oder aktorischen Funktionen. Ein Beispiel hierfür sind paraffinbasierte Dehnstoffaktoren (DSA), die es ermöglichen, energieeffizient hohe Kräfte bei geringen Stellwegen bereitzustellen. Dadurch kann in Anwendungen mit begrenztem Bauraum zusätzliche Funktionalität ohne erhöhten Handhabungs- und Montageaufwand eingebracht werden. Bisher finden paraffinbasierte DSA aufgrund ihrer hohen Leistungsdichten besonders in der Mikroaktorik Verwendung. Am PtU wird die Übertragung dieser Technologie in den makroskopischen Bereich untersucht. Als ein Anwendungsbeispiel dienen Schraubenverbindungen, bei denen Setzvorgänge, die zu einem Lockern der Verbindung führen, durch den Einsatz von DSA kompensiert werden.

Zur Steigerung der Effizienz elektrischer Antriebe wird intensiv an der Optimierung der verwendeten Materialien und der zum Einsatz kommenden Motortopologien geforscht. Die Eigenschaften von elektrischen Energiewandlern werden jedoch auch erheblich durch die zum Einsatz kommenden Fertigungsverfahren beeinflusst. Dies gilt besonders für die Rotor- und Statorkerne, welche zur Reduzierung von Eisenverlusten aus dünnen, elektrisch isolierten Einzelblechen aufgebaut werden. Ein hierfür eingesetztes Fügeverfahren, das besonders bei steigenden Produktionsvolumina an Bedeutung gewinnt, ist das Stanzpaketieren. Es ermöglicht ein rein mechanisches Fügen der einzelnen Lamellen mit geringen Taktzeiten. Zur Berücksichtigung der Einflüsse des Herstellungsprozesses auf die späteren mechanischen und elektromagnetischen Produkteigenschaften erfolgt am PtU eine Untersuchung der relevanten Design-, Werkzeug- und Prozessparameter, welche anschließend in Form von halbanalytischen Modellen zur zielgerichteten Auslegung und Überwachung von Stanzpaketierprozessen genutzt werden können.

Qualifizierung nachhaltiger Werkstoffe für Verpackungsindustrie

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in der Umformung naturfaserbasierter Werkstoffe. Im Gegensatz zu metallischen Werkstoffen ist das Umformverhalten von Faserwerkstoffen wie Papier nicht zur Gänze durchdrungen. Aus diesem Grund hat das PtU eigene Untersuchungsmethoden und Versuchsstände zur Beurteilung des Umformverhaltens von Faserwerkstoffen entwickelt. Somit wird durch verschiedene Forschungsprojekte im Papierbereich eine breite industrielle Umsetzung vorbereitet. Dabei werden die Verfahren des Tiefziehens mit Stempel, das Tiefziehen mit Wirkmedium und die inkrementelle Umformung in der Wechselwirkung mit verschiedenen Materialen untersucht.

Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich mit der Charakterisierung und Modellbildung von Papier als Werkstoff unter Berücksichtigung seiner besonderen Eigenschaften wie Inhomogenität und ausgeprägter Anisotropie. Darüber hinaus wird an der Entwicklung einer einheitlichen Methodik zur Bewertung des Materialverhaltens in Umformprozessen gearbeitet. Um Naturfaserwerkstoffe wie Papier und Vulkanfiber als nachhaltige Werkstoffe für z. B. die Verpackungsindustrie zu qualifizieren und ökologisch problematische Materialien auf Kunststoffbasis zu substituieren, werden bekannte Verfahren aus der Blechumformung auf den Werkstoff Papier adaptiert und optimiert. Hierbei werden unter anderem ein- und mehrstufige Tiefziehprozesse erforscht. Da die umformtechnischen Eigenschaften von Papier im Vergleich zu metallischen Werkstoffen äußerst herausfordernd hinsichtlich der Prozessführung sind, wird hierbei unter anderem mit einer Beeinflussung der Materialeigenschaften über Temperatur und Feuchtigkeit im Prozess gearbeitet.

Vulkanfiber ist ein kompostierbares Material auf Zellstoffbasis, welches in der Vergangenheit zur Herstellung von Hartschalenkoffern oder als Trägermaterial eingesetzt wurde. Aus diesem Material können mithilfe von inkrementellen Fertigungsverfahren wie dem Single Point Incremental Forming (SPIF) kostengünstige Prototypen und Kleinserien gefertigt werden. Hierzu wird zum einen der Einfluss des Feuchtigkeitsgehalts während der Umformung untersucht, zum anderen wird eine modellbasierte Regelung zur Einstellung der Bauteilqualität aufgestellt.